Veränderung zum Besseren – es ist glasklar

Die europäische Norm für die Beleuchtung von Arbeitsstätten in Innenräumen, EN 12464-1, wurde 2021 überarbeitet und enthält nun einige wichtige Änderungen und Ergänzungen. Wir haben mit Erlend Lillelien und Dr. Paul Walter Schmits- Reinecke – zwei langjährigen Mitgliedern des Technischen Komitees für diese Norm – darüber gesprochen, wie sie zu einem Konsens über diese Änderungen gekommen sind und wie die Norm europaweit angenommen wird.

Am 1. September 2021 wurde die europäische Norm EN 12464–1:2011 durch eine überarbeitete Ausgabe ersetzt: EN 12464–1:2021 Licht und Beleuchtung - Beleuchtung von Arbeitsstätten – Teil 1: Arbeitsstätten in Innenräumen. Dies ist die zweite Revision der ursprünglichen Norm, die 2002 veröffentlicht wurde, gefolgt von einer ersten Revision im Jahr 2011.

Was hat sich also seit der Ausgabe 2011 geändert? Es gab einige recht bedeutende Ergänzungen, insbesondere in Bezug auf die Bedürfnisse von Menschen und Nutzern, die nun viel stärker anerkannt werden. Die Beleuchtungsanforderungen für Aufgabenbereiche, um Sehaufgaben zu erfüllen, werden in engen Zusammenhang mit dem Raum gestellt, in dem sie ausgeführt werden. Technologisch hat die LED den Führungsplatz als wichtigste Lichtquelle von bisherigen Technologien übernommen.

Die wichtigsten Änderungen gegenüber der vorherigen Ausgabe sind:

• Weitere Parameter und Änderungen in der Tabelle.
• Fokus auf eine erhöhte „Raumhelligkeit“.
• Berechnungsbereiche werden verdeutlicht.
• Empfohlenes Vorgehen bei der Anwendung von UGR
(Unified Glare Rating) (Anhang A).
• Nichtvisuelle Wirkungen von Licht (Anhang B).
• Überlegungen zum Beleuchtungsdesign (Anhang C).

Eine der wichtigsten Änderungen an der Norm besteht darin, dass der Berechnungstabelle weitere Parameter hinzugefügt wurden, insbesondere im Hinblick auf die differenzierten Anforderungen an die Beleuchtungsstärke. Andere Teile der Tabelle, einschließlich einiger Texte und Verweise, wurden ebenfalls aktualisiert.

In Bezug auf die „Raumhelligkeit“ und die Berechnungsbereiche tragen die Beleuchtungsstärken an Wänden und Decken zusammen mit den Oberflächenreflexionen nun zu den Beleuchtungsstärken bei und sind Indikatoren für die „gefühlte Raumhelligkeit“. Die Anforderungen für den „Bereich der Sehaufgabe“ sind nun definiert als „Em erforderlich“ und „Em modifiziert“, wobei für den Tätigkeitsraum „Em Wand“, „Em zylindrisch“ und „Em Decke“ definiert werden. Das Ergebnis dieser Änderungen ist, dass die Raumhelligkeit unter diesen neuen Anforderungen zunimmt. Die Berechnungsbereiche, d. h. Arbeitsfeld, Nahfeld und Umgebung werden ebenfalls geklärt.

Die Norm besagt, dass die Beleuchtung an die tatsächlichen
Bedürfnisse der Nutzer im Gebäude angepasst werden sollte und dass das System sicherstellen sollte, dass Beleuchtungsstärken erreicht werden können, die den empfohlenen Wartungswert nur mit der elektrischen Beleuchtung erfüllen oder übertreffen (unter der Annahme eines Worst-Case-Szenarios ohne Tageslichtbeitrag). Die Beleuchtung kann sowohl durch Tageslicht- als auch durch elektrische Beleuchtung oder eine Kombination aus beiden erreicht werden. Die Beleuchtung sollte auch so gestaltet sein, dass sie den Beleuchtungsanforderungen einer bestimmten Aufgabe, Tätigkeit oder eines bestimmten Raums auf energieeffiziente Weise gerecht wird. Es ist jedoch
wichtig, die visuellen Aspekte einer Beleuchtungsanlage nicht zu beeinträchtigen, nur um den Energieverbrauch zu senken. Die erforderlichen Mindestwerte für die Beleuchtungsstärke, wie sie in der Norm festgelegt sind, sind Mindestwerte, die dauerhaft eingehalten werden sollten.

In Anhang A der neuen Norm wird die Anwendung der UGR-Methode (Unified Glare Rating) empfohlen. Das Beleuchtungsprodukt muss mit einer UGR-Tabelle verifiziert
werden, um nachzuweisen, dass das Produkt für die Sehaufgabe
geeignet ist. Diese Tabellenmethode trägt daher dazu bei, psychologische Blendung durch die Leuchten in Innenbeleuchtungssystemen zu vermeiden.

Anhang B der neuen Norm verweist auf die visuellen Wirkungen der Beleuchtung (z. B. Raumhelligkeit), führt aber auch die nicht-visuellen Wirkungen der Beleuchtung ein, darunter wie die Beleuchtung den zirkadianen Rhythmus und die Stimmung des Menschen beeinflusst und wie die Beleuchtung seine Leistung und sein Wohlbefinden verbessern kann.

Anhang C der Norm „Überlegungen zum Beleuchtungsdesign“ enthält ein Beispiel für die Verwendung der Parameter „Em erforderlich“ und „Em modifiziert“ in einer typischen Berechnung des Lichtdesigns für ein Büro, in dem die Mehrheit der Mitarbeiter über 50 Jahre alt ist.


Interview mit Erlend Lillelien und Prof. Dr. Paul Walter Schmits-Reinecke vom Technischen Komitee der EN 12461–1: 2021

Erlend Lillelien ist unabhängiger Berater und leitender Lichtdesigner, der seit seinem Abschluss an der Universität Kansas in der Beleuchtungsindustrie tätig ist. Erlend Lillelien verfügt über einen gediegenen Hintergrund als Bauingenieur im Bereich Elektro- und Beleuchtungslösungen und ist seit 1998 Mitglied der Arbeitsgruppe WG2 „Beleuchtung von Arbeitsstätten“ des Technischen Komitees für Licht und Beleuchtung CEN/TC 169. Sein wichtigster Beitrag war die Zuarbeit zur Europäischen Norm EN 12464 des Technischen Komitees für Licht und Beleuchtung CEN/TC 169 in Innenräumen und im Freien.

Prof. Dr. Paul Walter Schmits-Reinecke studierte Elektrotechnik an der Technischen Universität Berlin und arbeitet seit vielen Jahren in verschiedenen Gremien der Deutschen Lichttechnischen Gesellschaft, insbesondere im Bereich der Innenbeleuchtung. Prof. Schmits-Reinecke war an einer Reihe von Aktivitäten sowohl an der nationalen als auch der internationalen Normung beteiligt und hatte Lehraufgaben im Bereich Lichtdesign an verschiedenen Hochschulen und Universitäten in Deutschland, darunter an der Fakultät Gestaltung der HAWK Hildesheim, der TFH Berlin und der BTU Cottbus. Er ist seit dem Jahr 2000 Mitglied der Arbeitsgruppe WG2 „Beleuchtung von Arbeitsstätten“ des Technischen Komitees für Licht und Beleuchtung CEN/TC 169 und auf Innenbeleuchtung
spezialisiert. Heute ist er als Professor und Berater tätig.

Können Sie die Arbeitsgruppe des Technischern Komitees für EN 12464–1 und ihre Arbeitsweise beschreiben?

EL: Die Arbeitsgruppe besteht aus rund 22 bis 25 Mitgliedern. Wir haben uns vielleicht 25 Mal zu der neuen überarbeiteten Norm 2021 getroffen, deren Erarbeitung insgesamt etwa fünf Jahre dauerte. Bei jedem Treffen sind meist 10 bis 15 Mitglieder anwesend. Jedes Land wird in der Regel von einem Experten unterstützt, mit Ausnahme des Vereinigten Königreichs und Deutschlands, die bei jedem Treffen bis zu drei Experten haben. In der Arbeitsgruppe sind überwiegend Länder aus Nord- und Westeuropa vertreten: Norwegen, Schweden, Dänemark, Finnland, Großbritannien, Deutschland, die Niederlande, die Schweiz, Österreich, Belgien, Italien, Frankreich und Spanien. Wir unterstehen dem Europäischen Komitee für Normung und Technischen Komitees für Licht und Beleuchtung CEN/TC 169.g.

PWSR: Die erste europäische Norm, an der wir gearbeitet haben, war eine Herausforderung, da wir die unterschiedlichen Anforderungen der einzelnen Mitgliedstaaten zusammenführen mussten. Dies war und ist eine unserer Hauptaufgaben im Normenausschuss. Wir müssen akzeptieren, dass Menschen woanders die Dinge etwas anders machen als im eigenen Land und obwohl die Norm befolgt werden muss, hat jedes Land immer noch eine gewisse Freiheit, zum Beispiel bei der Beschreibung der Größe des Tätigkeitsbereichs bei einer Lichtberechnung.


Wie erreichen Sie als Arbeitsgruppe einen Konsens?

EL: Wir haben einen Obmann, der dem CEN untersteht und vom Technischen Komitee gewählt wird. Durch Meetings und Diskussionen erreichen wir einen Konsens. Allein bei dieser Revision 2021 hatten wir bis zu 25 Sitzungen, was in der Regel zweitägige Sitzungen an verschiedenen Orten in ganz Europa sind. Die Mitgliedsländer organisieren reihum diese Sitzungen. Wir erzielen bei diesen Treffen einen Konsens durch Diskussionen, die oft sehr langwierig sind. Während der letzten Corona-Lockdowns trafen wir uns online als Gruppe mit Microsoft Teams oder Zoom.
Dies hat sich als sehr nützlich erwiesen und gut funktioniert.

PWSR: Normenarbeit sollte immer auf Konsens basieren. Wir müssen uns alle einstimmig auf eine Änderung oder Ergänzung einer Norm einigen. Aber das bedeutet auch, dass die Länderexperten möglicherweise Kompromisse akzeptieren müssen. Wenn sie in ihr eigenes Land zurückkehren, müssen sie den Kompromiss dann ihrem nationalen Komitee, ihren Kollegen und Kolleginnen „verkaufen“. All dies erklärt, dass es einige nationale Abweichungen in der neuen Norm gibt. Jetzt haben wir nur noch eine, für die Slowakei, glaube ich. Die größte Abweichung im Laufe der Zeit gab es für Dänemark, das eigene nationale Vorschriften hatte, die besagten, dass die Beleuchtungsstärke niedriger sein können als in unserem Standard angegeben. Aber solche Abweichungen sind selten.

EL: Viele, die die neue Norm lesen, vergessen den Unterschied zwischen einer Norm und einer Richtlinie oder sind sich dessen nicht bewusst. Wir schreiben eine Norm, die im Grunde eine Mindestlösung ist, die man einhalten muss, um ein bestimmtes Niveau zu erreichen. Wir bemühen uns sehr, nicht die eigentlichen Beleuchtungslösungen zu beschreiben, sondern die zu erreichenden Leistungsstufen. So sagen wir nicht, welche Art von Licht verwendet werden sollte, z. B. Downlight oder Wandleuchten, sondern einfach, welche Lux-Stufen erreicht werden müssen. Viele Leser kaufen die neue Norm und sind enttäuscht, weil sie landesspezifische Anleitungen zur Auslegung der neuen Norm benötigen. Sie erwarten Orientierungshilfe zu einer Beleuchtungslösung direkt von der Norm selbst, aber das
gehört nicht zu unserem Aufgabenbereich. Hier kommen die nationalen Leitfäden ins Spiel, die jedem Land dabei helfen, die neue Norm zu interpretieren und genauer erläutern, was die Norm für das jeweilige Land bedeutet.

Aus Kostengründen sind mindestens die Hälfte der Arbeitsgruppenmitglieder bei Herstellern beschäftigt. Die andere Hälfte repräsentiert in der Regel die Normungsorganisationen. Einige sind, wie ich, unabhängige Berater. Ein Versuch, Normen ohne die Beteiligung der Hersteller und Beleuchtungsdesigner zu entwickeln, wäre praktisch unmöglich.


Wie sind Sie zu den Werten „Em erforderlich“ und „Em modifiziert“ in der neuen Norm gekommen?

EL: Dies war in der Tat ein langer Prozess, der drei bis vier
Jahre gedauert hat. Er hat viele Runden durchlaufen, bevor wir schließlich dort angekommen sind, wo wir jetzt sind. Der Aspekt der Lichtsteuerung, z. B. die Verwendung von Dimmung, war mir sehr wichtig, weil ich nicht wollte, dass wir angeben, dass man den erforderlichen oder den „modifizierten Wert verwenden muss, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Zum Beispiel kann die Belegschaft vielleicht allgemein älter sein, was in Zukunft sehr wahrscheinlich der Fall sein wird. Ich wollte nicht, dass dieser Aspekt den Energieverbrauch unnötig erhöht. Für mich war es daher von entscheidender Bedeutung, den erforderlichen Wert und den modifizierten Wert zusammen mit der Verwendung eines Lichtmanagementsystems anzugeben. Die Norm besagt, dass man eine Lichtsteuerung verwenden kann, wenn man den modifizierten Wert verwendet.


Können Sie nun, nachdem die visuellen und nichtvisuellen Wirkungen der Beleuchtung in den Geltungsbereich der neuen Norm aufgenommen wurden, näher auf den Prozess eingehen, der dies vorangetrieben hat?

EL: Zu Beginn des fünfjährigen Überarbeitungsprozesses schickte Lighting Europe uns ein Schreiben, in dem sie vorschlugen, „Human Centric Lighting“ (HCL) in die neue überarbeitete Norm aufzunehmen. Eine unserer ersten Aufgaben bestand also darin, diesen Aspekt zu prüfen. Wir stellten relativ schnell fest, dass es nicht genügend empirische Daten gab, um HCL zu unterstützen und eine neue Spalte mit neuen Werten in die Berechnungstabelle aufnehmen zu können. Zu diesem Zeitpunkt lagen keine aussagekräftigen Daten vor, um diesen Zusatz zu unterstützen. Daher haben wir den Antrag von Lighting Europe abgelehnt, dies in die ganze Tabelle aufzunehmen. Wir haben jedoch Formulierungen zu HCL und einstellbaren Lichtsteuerungen hinzugefügt, die aber eher allgemeine Formulierungen und Hinweise und keine tatsächlichen Anforderungen sind.

PWSR: Um einen Konsens innerhalb der Arbeitsgruppe zu erreichen und mit einer Stimme zu sprechen, müssen wir immer zwei Faktoren berücksichtigen: Vorschriften, die wir definieren und zur Norm hinzufügen, müssen wissenschaftlich begründet sein. HCL war das damals nicht und wurde deshalb weggelassen. Darüber hinaus ist keinem Mitgliedsland, das der europäischen Norm beitritt, gestattet, eine eigene Regelung zu haben, die nicht mit der Norm übereinstimmt. Bei dieser Überarbeitung haben wir daher einige Hinweise, Tipps und Richtlinien zu HCL gegeben, aber wir können es noch nicht in die Norm aufnehmen.

Wir können jedoch nicht ignorieren, dass es derzeit in der Branche eine große Diskussion darüber gibt. Wir hatten daher das Gefühl, dass wir diesen Aspekt in die neue Norm aufnehmen müssen, aber nicht als Anforderung, sondern nur als unverbindliche Hinweise. Wenn wir es ganz außen vor gelassen hätten, würden die Leute sagen, dass wir nicht einmal seine Bedeutung anerkannt haben. Es war also ein Kompromiss, den wir eingegangen sind. Jetzt ist die Norm umfassender, obwohl sie nichts wirklich Neues enthält. Das Denken hat sich geändert, aber nicht die Norm selbst. Die Substanz hat sich überhaupt nicht verändert. Sie sieht anders
aus, aber es sind die gleichen Zutaten darin enthalten.


Der Einsatz von Lichtmanagementsystemen wird
in mehreren Teilen der neuen Norm erwähnt
und empfohlen, insbesondere im Hinblick auf
veränderte Beleuchtungsstärken. Können Sie
uns mehr darüber erzählen, wie die Norm den
Einsatz dynamischer und intelligenter Lichtsteuerungen
empfiehlt?

PWSR: Ja, Lichtsteuerungen und Dimmung sind in der neuen Norm erwähnt, aber das ist nicht neu, es war auch in der Vorgängerversion enthalten. Es bestand schon immer die Möglichkeit, die Beleuchtungsstärke zu erhöhen, wenn die Belegschaft älter ist oder um eine bestimmte visuelle Aufgabe zu ermöglichen. Mit der neuen Norm fordern wir Lichtdesigner nun auf, sich dies anzuschauen und wir möchten sie weiter nach vorn bringen. Zum Beispiel kann es Gründe dafür geben, höhere Beleuchtungsstärken einzubeziehen, die sie in Betracht ziehen sollten.

Das bringt uns zu dem, was hinter diesem neuen Stichwort modifiziert steckt. Zu viele Leute haben sich die alte Norm angesehen und gesagt: „Ich darf nicht unter das Minimum oder über den höheren Wert gehen.“ Es war von der alten Norm nie beabsichtigt, ihnen eine feste Zahl vorzugeben. Bei der Beleuchtungsstärke haben Planer die Möglichkeit, die Beleuchtungsstärke anhand der Tabelle und der Kontextmodifikatoren selbst zu definieren und zu begründen.
Meiner Meinung nach ist die neue Norm also sehr didaktisch.